Auf dem Holzweg: Klimaexperte John Ashton diskutiert am IASS den schwierigen Übergang zu einer nachhaltigen Lebensweise
17.11.2014
Wir wissen seit langem, dass unsere CO2-Emissionen zu hoch sind, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen, dass wir unsere Produktionsweise und unser Konsumverhalten ändern sollten. Warum nur ist der Weg zu einer nachhaltigen Lebensweise so schwierig? Für John Ashton, ehemaliger Sonderbeauftragter für Klimaschutz des britischen Außenministeriums und jetziges Mitglied des Lenkungsausschusses der Plattform Energiewende am IASS, steht eines fest: „Das Klimaproblem ist ein eigenständiges Problem, aber gleichzeitig eröffnet es den Blick auf eine Reihe von tiefer liegenden Problemen.“ Sowohl die Politik als auch die Wissenschaft zeigten zu wenig Engagement beim Auffinden von Lösungswegen – sie befänden sich „auf dem Holzweg“, sagte der 58-Jährige in einem Vortrag am IASS am 12. November.
Ashton nannte mehrere Hindernisse, die es für eine nachhaltige Entwicklung zu überwinden gelte. Ein Problem betreffe die Wissenschaft selbst, der es an interdisziplinärem Austausch mangele. „Wir haben einen leistungsstarken Wissenschaftsbetrieb aufgebaut, aber als dieser größer wurde, haben sich die Disziplinen in einzelne ‚Fächer-Silos‘ aufgespalten.“ Selbst an renommierten Forschungseinrichtungen gebe es nur einzelne interdisziplinäre Projekte. Ein anderes Manko betreffe den Umgang der Wissenschaft mit der Realität: Viele Wissenschaftler strebten eher nach einem in sich kohärenten Gedankengebäude statt zu überprüfen, inwieweit ihre Annahmen die Wirklichkeit abbilden. Dies sei eine politische Entscheidung, die er bedaure: „Wenn der Wissenschaftsbetrieb eine Aufgabe hat, dann ist es doch die, sich für die Idee einzusetzen, dass die Wirklichkeit etwas ist, was wir erforschen und verstehen können!“
Doch auch die Politik selbst sei wenig bestrebt, umfassende Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung in die Wege zu leiten. Das liege weniger an Interessengruppen wie der Öl- und Kohleindustrie, sondern an dem verbreiteten Glauben, dass nicht die Bevölkerung, sondern der Markt über Fragen wie die künftige Versorgung mit Energie entscheiden solle. Deutschland sei mit seiner Energiewende ein Vorreiter, doch selbst hier habe die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem, das den Weg hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft erschwere: „Die Politik ist nicht in einer Verfassung, in der sie den Menschen sagen kann: So sieht nachhaltige Entwicklung aus, und dem Stress und den Prüfungen auf dem Weg dorthin müssen wir uns aussetzen.“ Die notwendigen Maßnahmen seien weitgehend geklärt, mit Ausnahme der Luftfahrt existierten in allen wesentlichen Bereichen der Technologie bereits umweltfreundlichere Alternativen.
Große Hoffnungen verbindet Ashton mit der UN-Klimakonferenz in Paris Ende 2015. „Das ist ein sehr wichtiger Moment, denn nach dem Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 entwickelt sich endlich wieder eine Dynamik in Bezug auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft und andere Themen.“ Die Vereinten Nationen seien der einzige Ort, an dem ein legitimer globaler Dialog über den Klimawandel möglich sei. Ein erneutes Scheitern der Verhandlungen könne sich die Welt nicht leisten.
Foto: © IASS/Bianca Schröder
17.11.2014